Fit für Rentenalter 67?

In der politischen Debatte um die Sanierung der Schweizer Vorsorge wurde das Pensionierungsalter zum Joker für taktische Manöver. Wenn das Geld nicht mehr reicht, soll einfach länger, d. h. bis 67, gearbeitet werden. Dabei stellt die Beschäftigung im Alter schon heute mit Rentenalter 64 für Frauen und 65 für Männer eine Herausforderung dar. Und diese wird mit der zunehmenden Digitalisierung noch grösser.

Christoph Hilber

14. Februar 2017

Falsch qualifizierte ältere Arbeitskräfte

Die Diskussion über Fachkräftemangel zeigt: Fachkräfte werden mit Attributen umschrieben wie jung, frisch ab Ausbildung mit neustem Wissen, kein Anspruch auf Führungsaufgaben, flexibel, günstig und mit geringen Lohnnebenkosten.
Offenbar besteht ein Mangel an Fachkräften, obwohl es genügend Arbeitskräfte gäbe, bloss mit meist diametralen Eigenschaften, also älter, mit verjährtem Wissen, Anspruch auf Führungsposition, unflexibel, teuer und mit höheren Lohnnebenkosten.

Bis vor Kurzem haben viele grössere Firmen ihren älteren Angestellten grosszügige Sozialpläne oder attraktive Frühpensionierungsoptionen geboten. Heute fehlen in Firmen und Pensionskassen die Reserven dafür. Nun wird auf den Struktur- und Technologiewandel mit Abbau reagiert, und das Personal in die Sozialwerke verlagert.

Zwei bis drei Karrierephasen

Das Problem wird sich mit der zunehmenden Digitalisierung weiter zuspitzen, wenn nicht Gegenmassnahmen ergriffen werden. Eine Option wäre, dass sich Mitarbeitende im Lauf ihres Berufslebens auf zwei bis drei Karrierephasen einstellen:

Karrierephase 1: von der Lehre bis ca. 30 Jahre. Hier fehlt die Erfahrung, aber das Wissen ist aktuell, der Ehrgeiz gross, der Druck des familiären Umfelds noch klein.

Karrierephase 2: von 30 bis 50 Jahren. Im Alter von 30 Jahren sollte Wissen aufgefrischt und den neusten Entwicklungen angepasst werden. Elan, Ehrgeiz, Belastbarkeit und Erfahrung sind vorhanden, möglicherweise auch Führungserfahrung – ideal für die Betreuung von Mitarbeitenden in Karrierephase 1. Dieser Abschnitt dürfte der anstrengendste sein, ist doch die Belastung durch Arbeit und Familie mit Kleinkindern am grössten.

Karrierephase 3: von 50 Jahren bis zur Pensionierung. Um arbeitsmarktfähig zu bleiben, muss das Wissen nochmals erneuert werden. Die Auswahl der Lernblöcke ist in diesem Abschnitt wichtig. Sie sollten möglichst spezifisch auf gefragte Nischen ausgerichtet sein, wo Erfahrung zählt, jedoch aktuelles Wissen die Basis darstellt.

Bei akademischen Ausbildungswegen wird es nur für zwei Karrierephasen reichen, denn der Eintritt erfolgt später, und es ist eine direkte Übernahme von übergeordneten Funktionen mit strategischen Aufgaben möglich.
Lebenslanges Lernen ist nichts Neues, diese zwei bis drei Phasen würden aber gezielt das berufliche Basiswissen aktuell halten. Parallel dazu bleibt Weiterbildung nach wie vor wichtig.

Herausforderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Arbeitnehmende müssen bereit sein, zwei- bis dreimal die Schulbank zu drücken und zwar für ganz spezifische (Grund-)Ausbildungen. Das kostet Geld, Zeit und Energie. Auch die bisher linear ansteigende Lohnkurve wird vor allem in der dritten Karrierephase abflachen, wenn nicht abfallen. Dafür bleibt man gefragt bis zur Pension.
Für Arbeitgeber ergeben sich meines Erachtens Aufwände und Erträge.

  • Aufwände: Führungsaufwand für Sensibilisierung der Mitarbeitenden; Einbau von Erneuerungsausbildungen in Zielvereinbarungen; Entwicklung von firmenspezifischen Ausbildungsplänen, damit nutzbringende Ausbildungen gewählt werden; Unterstützung der Ausbildungen mit Arbeitszeit, Finanzierung, allenfalls vorübergehenden Teilzeitmodellen. Die Kosten werden teilweise auf die Mitarbeitenden überwälzt werden müssen.
  • Erträge: Alle Mitarbeitenden werden über aktuelles, für das Unternehmen einsetzbares Wissen verfügen. Die älteren Mitarbeitenden werden wieder interessant, da sie nebst aktuellem Wissen eben auch über wertvolle Erfahrung verfügen.

Umsetzung – alles vorhanden

Die Zutaten für die Umsetzung eines solchen Phasenmodells sind vorhanden. Die Ausbildungen, Kurse und Themen gibt es bereits. Es würden drei Generationen miteinander die Kurse besuchen, was auch der Dynamik im Schulzimmer nützte, da konkrete Erfahrungen aus der Praxis einflössen.

Dieses Rezept verlangt viel Weitsicht von den Unternehmern und strategisches Denken in den Personalabteilungen. Die Mitarbeitenden leisten im Gegenzug ihren Beitrag und werden im Alter nicht zu einem Problem, sondern bleiben wertvoll.