Spanische Grippe und ihre Folgen

Zum Ende des Ersten Weltkrieges (1914-1918) wütete in der Welt 1918 bis 1920 die Spanische Grippe. Die Virusinfektion forderte mehr Opfer als der Weltkrieg selbst, hinterliess schwere wirtschaftliche und soziale Verwerfungen und bot für manche Verschwörungstheorie reichlich Anlass.

Beat Ambord

16. Juni 2020

Spanische Grippe – Einordnung, Verbreitung, Opferzahlen

Im medizinischen Sinn war die Spanische Grippe eine Virusinfektion. Epidemiologisch gesehen nahm der Ausbruch der Grippeinfektion schnell das Ausmass einer Pandemie an und überzog die Welt in drei Wellen. Lediglich isolierte Inseln wurden von der Pandemie verschont.

  • Den Namen Spanische Grippe erhielt die Influenza-Epidemie nach ihrem Ursprungsland. Die ersten Fälle wurden demnach aus Spanien bekannt.
  • Zwischen Januar 1918 und Dezember 1920 forderte der Erreger Influenzavirus A/H1N1 zahlreiche Opfer.
  • Infizierte: mindestens 500 Millionen weltweit bestätigt
  • Todesopfer: 27 bis 50 Millionen, Dunkelziffer bis 100 Millionen Tote
  • Eine klare Bezifferung gestaltete sich aufgrund der politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Zerwürfnisse nach dem Weltkrieg als schwierig, zumal auch viele Infektionsfälle nicht als solche eingeordnet wurden.

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen

Nachdem bereits der 1. Weltkrieg in weiten Teilen Europas die Wirtschaft nahezu zum Erliegen gebracht hatte, verschärfte die Spanische Grippe die krisenhafte Entwicklung der Weltwirtschaft weiter. Praktisch in jedem betroffenen Land wurden Restaurants, Bars, Kneipen, Varietés, Betriebe geschlossen. Die hohe Zahl der Infizierten und Toten (Deutschland ein Drittel der Bevölkerung) wirkte sich nachhaltig negativ auf die Produktivität aus. Wie die Spanische Grippe in ihren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft zu beziffern ist, bleibt unklar.

Der schnelle wirtschaftliche Aufstieg zu Beginn der 1920er Jahre lässt jedoch vermuten, dass nach einer schweren Rezession in Folge des Weltkrieges und der Spanischen Grippe eine Zeit der Wiederbelebung der Weltwirtschaft begann («Goldene Zwanziger»).

Betroffen von der Spanischen Grippe waren alle Bevölkerungsschichten. Ärmere und Soldaten im Feld waren vergleichsweise häufiger und härter betroffen. Aber auch der spanische König Alfons XIII. soll sich mit der Influenza infiziert haben.

Gesellschaftlich hinterliess die Spanische Grippe weltweit Misstrauen, Verschwörungstheorien, Schuldzuweisungen und tiefe sozioökonomische Gräben. Oftmals als Typhus oder Pest eingeordnet, wurde die Spanische Grippe als Krankheit der Soldaten, Armen und Kriegsgeschädigten eingeordnet, obgleich selbst wohlgenährte Mittelstandsbürger der Pandemie zum Opfer fielen.

Verschwörungstheorien zwischen Spanischer Grippe und Corona-Krise

Wie jedes weltweit bedeutsame Ereignis mit unklarer Ursache nährte die Spanische Grippe zahlreiche Verschwörungstheorien. So wurde behauptet, die Pandemie hätte ihren Ursprung in China. Andere Quellen lassen vermuten, dass die Brutstätte der Spanischen Grippe in einem Militärlager in den Vereinigten Staaten zu verorten sei. Wieder andere Theorien gehen davon aus, dass der Erreger von den kriegsführenden Deutschen bewusst und gezielt in spanischen Konserven-Produkten über die Welt verbreitet wurde.

Auch wenn die Corona-Pandemie (2020) mit dem Erreger COVID-19 (SARS-CoV-2) weltweit deutlich weniger Infizierte und Todesopfer als die Spanische Grippe fordert, zeigen sich doch einige Parallelen in der Art und Weise der Ausbreitung, in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen und in der Verbreitung von Verschwörungstheorien und Schuldzuweisungen. So verdächtigen die USA China, mit dem Corona-Virus eine biologische Waffe versehentlich aus einem Labor freigesetzt zu haben. China selbst vermutet, dass der eigentliche Ursprung der Corona-Pandemie in den USA liegt.