Bewegung bei den Vergütungssystemen

Jahrzehntelang prägten die «erfolgsabhängigen» Vergütungssysteme vorab die Chefetagen und die Entschädigungen für Kader und weitere «wichtige» Mitarbeitende in gewissen Unternehmen. Gesellschaftlich seit Längerem kritisiert, werden in jüngerer Zeit die Diskussionen über gewisse Exzesse und moralische Fragen zusätzlich durch ökonomische Betrachtungen angereichert. Die Zeit wäre reif, Lohnmodelle und Anreizsysteme unternehmensspezifisch mit Blick auf den Gesamterfolg und die Summe aller Einzelleistungen in einem Unternehmen zu gestalten.

Bruno Sauter

23. August 2017

Irrglaube der individuellen Messbarkeit

Insbesondere die Vergütungsberichte und die Summe der erfolgsabhängigen Bonuszahlungen in grossen börsenkotierten Unternehmen sorgen alljährlich für Schlagzeilen. Der Aufschrei erreicht zwischenzeitlich jedoch nicht mehr bloss den Stammtisch oder die durchschnittlichen Lohnempfänger. Stimmrechtsberater, Pensionskassen und gewichtige Aktionäre bringen ihre Zweifel über die Form und Höhe der Entschädigungen nun ebenfalls zum Ausdruck, und namhafte Grossfirmen korrigieren aufgrund von solchem Druck bereits im Vorfeld von Generalversammlungen ihre Zahlungen. Hinter dem Unverständnis der Massen wie auch der gezielten Kritik von professionellen Organisationen steht im Grunde die Frage nach der Messbarkeit des individuellen Leistungsbeitrags an den Erfolg eines Unternehmens. Sind nicht gerade die Struktur und Organisation mit ihren vielfältigen Prozessen und arbeitsteiligen Kompetenzen der lebendige Beweis für die Effizienz des ganzen Betriebs? Sind es nicht alle Mitarbeitenden zusammen, welche am Markt – bei den Kunden – den Unterschied ausmachen und dafür sorgen, dass Produkte und Dienstleistungen Anklang finden? Was würde der CEO einer Grossbank ausrichten ohne die Mitarbeiter der IT, ohne die Kundenberaterinnen im Einzelgeschäft oder ohne die HR-Abteilungen?

Brauchen wir rein finanzielle Anreize?

Selbstverständlich ist es strategische Aufgabe des Verwaltungsrats, die Weichen korrekt zu stellen. Und ebenso klar gehört es zur Verantwortung eines CEO, Ressourcen angemessen bereitzustellen und das Unternehmen mit geschickter Konzeption und Planung auf erfolgreicher Fahrt zu halten oder, gegebenenfalls auch einmal mit einer Kurskorrektur, das Schiff neu in den Wind des Wettbewerbs zu stellen. Braucht es dazu jedoch die finanziellen Anreize, welche im Nachhinein die Korrektheit von vergangenen Entscheidungen bestätigen? Ist der Mensch und ist das Management eines Unternehmens mit Aussicht auf Bonus wirklich besorgter um den Gesamterfolg? Oder ist ein Schelm, wer behauptet, dass individuelle Bonuszahlungen primär opportunistischen Interessen dienen? Kürzlich schrieb der renommierte Finanzprofessor Hans Geiger in einem Beitrag doch deutlich, dass die Grossbanken allein deshalb gegen höhere Eigenmittel seien, weil dies die Rendite auf dem Eigenkapital reduziere und diese Bemessungsgrösse somit die Bonuszahlungen an das Topkader reduziere. Der unternehmerische Fehlanreiz führt offensichtlich zu Entscheidungen, welche die nachhaltige Unternehmenswert-Entwicklung negativ beeinflussen können.

Gerecht

Das Gerechtigkeitsempfinden in einem Unternehmen wird enorm durch das geltende Lohnsystem beeinflusst. Die absolute Höhe eines Gehalts hängt von Ausbildung, Erfahrung, Leistung und selbstverständlich auch von der Leistungsfähigkeit des Unternehmens und einer Branche ab. Es gibt Unterschiede bei den Löhnen, diese sind in einer offenen Marktwirtschaft erklärbar und korrigieren sich über die Zeit bis zu einem gewissen Grad von selbst. Es herrscht ja eben ein Wettbewerb auch unter den Angestellten. Der Bessere hat Erfolgsaussichten auf eine höhere Position, bekommt Ende Jahr eine Gehaltsaufbesserung oder er wird sogar von einem Konkurrenten zu vorteilhafteren Konditionen abgeworben. Die meisten Positionen werden im Rahmen von Mitarbeiterbeurteilungen regelmässig verglichen, und der Erfolg des einzelnen Angestellten wird relativ zu dem seiner Kollegen beurteilt.
Bei Spitzenpositionen jedoch ist der Wettbewerb selten gegeben. Es gibt keinen zweiten CEO einer Grossbank, welcher als Vergleich dienen könnte bei der Einschätzung von Erfolg oder Misserfolg von Entscheidungen. Der individuelle Beitrag einer Spitzenkraft kann also nur bedingt gemessen werden, und ob eine erfolgsabhängige Bonuszahlung gerecht ist, hat mitnichten bloss etwas mit Ethik und Moral zu tun – vielmehr geht es um handfeste Ökonomie von Märkten. Und wenn Märkte etwas bewiesen haben, dann die Bereitschaft der Kunden, für Qualität einen Preis zu bezahlen. Bei angestellten Mitarbeitenden ist diese Qualität die Kompetenz einer Persönlichkeit – dies in Form von Wissen und gesammelter Erfahrung. Und wird eine Führungskraft angestellt, dann soll die Bezahlung entsprechend der geforderten Kompetenz gut oder wenn möglich sogar sehr gut sein. Aber für alle Beteiligten im Voraus klar, transparent und fix.