Revision der Verjährungsvorschriften im OR, Teil 1: Fristen

Auf den 1. Januar 2020 wurden diverse Gesetzesänderungen in Kraft gesetzt. Eine dieser Revisionen betrifft die Verjährung von Forderungen. Konkret wurden einige Verjährungsfristen verlängert. 

Josef Studer

13. Mai 2020

Verjährung – was heisst das?

Die Forderung eines Gläubigers besteht grundsätzlich bis zur Erfüllung durch den Schuldner. Erfüllt der Schuldner nicht und bleibt der Gläubiger passiv, tritt irgendwann die Verjährung ein. Die Zeit bis dahin, die sog. Verjährungsfrist, ist gesetzlich sehr unterschiedlich geregelt. Im Normalfall sind es zehn Jahre (Art. 127 OR), aber das Gesetz kennt auch Fristen von einem bzw. fünf Jahren (Art. 60, 67, 128 OR usw.). Die Verjährungsfrist beginnt mit Fälligkeit der Forderung (Art. 130 OR).

Ist die Verjährungsfrist abgelaufen, kann der Gläubiger vom Schuldner die Erfüllung nicht mehr erzwingen. Dieser Mechanismus soll den Schuldner schützen, denn sonst müsste er auch nach langer Zeit immer noch mit einer Forderung des Gläubigers rechnen bzw. die Beweise über die Erfüllung seiner Verpflichtung viel länger aufbewahren.

Dauer der Verjährungsfristen – was hat geändert?

Im Rahmen der Revision des OR wurden folgende Verjährungsfristen geändert:

  • Für die Schadenersatzforderung aus einer unerlaubten Handlung, wie Sach- oder Personenschaden aus eigenem Verschulden bzw. bei Haftung des Arbeitgebers, des Tierhalters oder Hauseigentümers, beträgt die Verjährungsfrist neu drei Jahre statt einem Jahr (Art. 60 OR). Kennt der Geschädigte den Verursacher und den Schaden, muss er innerhalb dieser Zeitspanne seine Forderung geltend machen. Als absolute Grenze für den Schadenersatzanspruch (wenn der Verursacher noch unbekannt ist) gilt grundsätzlich die Frist von zehn Jahren. Diese Frist wurde nicht geändert. Sie beginnt aber neu nicht mehr mit Eintritt des Schadens, sondern mit dem letzten Tag des schädigenden Verhaltens oder, wenn es ein mehrtägiges Ereignis war (z. B. Schadenseintritt, weil eine verantwortliche Person nicht gehandelt hat), an dessen Ende.
  • Wurde der Schaden durch eine widerrechtliche Körperverletzung oder die Tötung eines Menschen verursacht, liegt die absolute Grenze neu bei zwanzig Jahren (statt wie bisher zehn, Art. 60 OR). Somit sollen finanzielle Spätschäden länger eingeklagt werden können. Es geht v. a. um Spätschäden von Erkrankungen von sehr langer Dauer, z. B. wegen Asbest. Dies war denn auch der Auslöser für die ganze OR-Revision.
  • Für die Rückforderung aus einer ungerechtfertigten Bereicherung (Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund, z. B. Geldüberweisung auf ein falsches Konto) beträgt die Verjährungsfrist neu drei Jahre statt einem Jahr (Art. 67 OR). Kennt der Geschädigte seinen Anspruch, kann er nur während dieser Zeit seine Forderung geltend machen. Die Zehnjahresfrist als absolute Grenze für den Rückforderungsanspruch wurde nicht geändert.
  • Wurde der Schaden durch eine vertragswidrige Körperverletzung oder Tötung eines Menschen verursacht (Bsp. Sportunfall, bei dem der Trainer grobfahrlässig seine Pflichten verletzte), beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre ab Kenntnis. Die absolute Grenze liegt neu bei zwanzig Jahren (statt wie bisher zehn, Art. 128a OR). Diese Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag des schädigenden Verhaltens oder, wenn es ein mehrtägiges Ereignis ist (z. B. Abgabe von falschen Medikamenten durch einen Arzt über einige Zeit hinweg), an dessen Ende.
  • Die Regressansprüche gegen persönlich haftende Genossenschafter verjähren neu nach drei Jahren statt nach einem Jahr (Art. 878 OR).
  • Die Verjährungsfrist für die Anfechtung von Rechtsgeschäften (v. a. Schenkungen), die vor einer Pfändung oder der Konkurseröffnung vorgenommen worden waren, beträgt neu drei Jahre statt zwei Jahre (Art. 292 SchKG).

Diese neuen Verjährungsfristen gelten für alle Forderungen, die ab 1.1.2020 entstanden sind bzw. entstehen, und auch für solche, deren Verjährungsfrist bereits vor dem 1.1.2020 begonnen hat. Endete die Verjährungsfrist am 31.12.2019 oder vorher, ist die Verjährung eingetreten, und die Gesetzesänderung hat hier keine Folgen.