Gemba Walk – Leadership vor Ort

Planen, koordinieren und kontrollieren - das ist Leadership, eine wichtige Teilaufgabe der Unternehmensführung.

Frédéric Jordan

14. Juni 2016

Führungskräfte leiten und lenken mehrheitlich aufgrund von ihnen vorgelegten Informationen. In manchen Firmen erfolgt dies über mehrere Stufen, was die Gefahr erhöht, eingeschränkte oder gar falsche Informationen zu erhalten. Nur selten prüfen Manager die Zahlen, Daten und Fakten nach. Kritiker dieser Aussage begründen dies mit «Vertrauen», «keine Zeit» oder «nicht meine Aufgabe». Eine Führungskraft trägt jedoch Verantwortung, diese muss sie wahrnehmen. Ein einfaches Hilfsmittel ist der Gemba Walk.

Der Begriff «Gemba» stammt aus Japan, bedeutet «Ort des Geschehens» und ist ein zentraler Aspekt des Lean-Managements. Ort des Geschehens kann beispielsweise ein Arbeitsplatz sein, an dem Prozesse stattfinden. Der Gemba Walk ist ein täglicher Rundgang, bei dem die reale Situation vor Ort beobachtet und Mitarbeitende befragt werden. Nur dort lassen sich sowohl wertschöpfende Aktivitäten als auch Verschwendung unmittelbar beobachten und beeinflussen. Der Gemba Walk führt weg vom Papier, dem Bildschirm, raus aus dem Sitzungszimmer und hinein in die Werkhallen, Verkaufsräume und Büros.

Manager lernen die Probleme und Herausforderungen vor Ort erkennen, denn dort erhalten sie ungefilterte Informationen über Zustände, Anliegen, Potenziale und Schwachstellen. Der Rundgang dient einerseits dem Gewinnen neuer Erkenntnisse und dem regelmässigen Austausch mit den Mitarbeitenden und andererseits der Identifikation von Verschwendung und Optimierungsmöglichkeiten. Der persönliche Kontakt bezieht alle Beteiligten mit ein in die Analyse und die Verbesserung. In keinem Fall ist der Gemba Walk zur Beurteilung der Mitarbeitenden gedacht.

Die Fragen sind jeweils im Voraus festzulegen. Ein Büro und eine Werkhalle sind nicht identisch, weshalb die Fragen unbedingt anzupassen sind. Diese können beispielsweise die Sicherheit, Zufriedenheit, Abläufe, Strukturen, Sauberkeit, Wartung, Verbrauch, Verschwendung, Wünsche oder Persönliches betreffen. Manche beschränken sich auf drei Grundsatzfragen: «Was sollte geschehen?», «Was passiert?» und «Warum?».

Die Stärke des Gemba Walks liegt darin, dass sich Manager mit der Realität vor Ort beschäftigen. Als Schwächen sind der mögliche Einfluss von Vorurteilen und die Gefahr einer Fehlinterpretation der Beobachtungen zu nennen.

Die Wirksamkeit des Gemba Walk ist von der Denkweise und dem Verhalten der Anwender abhängig. Regelmässiges Üben und der Austausch mit anderen ist deshalb notwendig. Am Anfang ist die Unterstützung durch externe Experten sinnvoll, bis der Rundgang Fuss gefasst hat und akzeptiert ist. «Sehen lernen» ist keine einfache Aufgabe, aber auf Dauer enorm wirkungsvoll und hilfreich.