eCall – Schutzengel im Auto?

Neben Müdigkeit belasten Autofahrer auch schlechte Witterungsverhältnisse - ganz besonders auf abgelegenen Strassen. Jede Unachtsamkeit kann zu einem folgenschweren Unfall führen. Passiert ein solcher, zählt oft jede Minute. Was aber, wenn der Lenker bewusstlos ist und die Gegend derart abgeschieden, dass nicht mit sofortiger Hilfe gerechnet werden kann?

Matej Smokrovic

18. April 2019

Mit dieser Frage hat sich in den vergangenen Jahren auch die Europäische Kommission (EK) auseinandergesetzt. Sie hat eine Initiative ins Leben gerufen, und in den Gremien wurde ein cleveres Notrufsystem ausgearbeitet.

eSafety-Initiative

2002 lancierte die EK die sogenannte eSafety-Initiative. Die Idee dahinter war, mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien die Sicherheit im Strassenverkehr zu erhöhen. Das Ziel: die Zahl der Verkehrstoten in der EU und darüber hinaus so weit wie möglich zu reduzieren.
Nebst der Diskussion des Einsatzes und der Weiterentwicklung von Fahrassistenzsystemen wurde die Idee eines automatischen Notrufsystems – eCall genannt – präsentiert. Jedoch scheiterten mehrere Anläufe der EK, in Zusammenarbeit mit diversen Mitgliedstaaten das System auf freiwilliger Basis umzusetzen. Aus diesem Grund wurden gesetzliche Grundlagen geschaffen, um die Einführung des Systems vors EU-Parlament und den EU-Rat zu bringen. 2015 fiel dann der Beschluss, dass Autohersteller ab dem 31. März 2018 verpflichtet werden, alle neuen Modelle in Europa mit dem eCall-System auszustatten.

So funktioniert eCall

Das im Fahrzeug eingebaute Notrufsystem eCall setzt nach einem vom Crashsensor festgestellten schweren Unfall automatisch einen Alarm an die europäische Notfallnummer 112 ab. Über Satellitenortung wird der genaue Standort des Fahrzeugs bestimmt und über Mobilfunk die Verbindung zur nächstgelegenen Notrufzentrale hergestellt. Die Notrufzentrale versucht anschliessend, mit dem Lenker Kontakt aufzunehmen. Bleibt eine Reaktion des bzw. der Autoinsassen aus, organisiert die Notrufzentrale umgehend Hilfe. Dafür werden u. a. Standortkoordinaten, Angaben über die Anzahl der Insassen, Unfallzeitpunkt, Fahrzeugdetails und Fahrtrichtung an die Rettungskräfte übermittelt. Zudem gibt es die Möglichkeit, den Alarm durch Knopfdruck auszulösen. So können auch mögliche Unfallzeugen die Zentrale über den Zustand der Insassen informieren. Hingegen verhindert die Kopplung des Systems an diverse Sensoren und Sicherheitstechniken, dass bei leichten Auffahr- oder Parkunfällen ein Notruf ausgelöst wird.

Vorteil von eCall gegenüber anderen Systemen

Es gibt nach wie vor diverse Automobilhersteller und Versicherer, die private Notrufsysteme sowie weitere Dienstleistungen wie z.B. Fahrzeug-Assistance anbieten. Diese dürfen weiterhin in typengeprüften Fahrzeugen installiert werden, es darf aber nur ein System aktiv sein. Drittanbietersysteme funktionieren über normale Mobilfunkverbindungen, eCall dagegen verwendet den europaweiten Notruf 112, welcher Vorrang vor allen anderen Mobilfunkverbindungen hat. Dies hat den Vorteil, dass Notrufe auch bei überlasteten Mobilfunknetzen ankommen.

Regelung in der Schweiz

Aufgrund der bilateralen Verträge müssen auch Fahrzeuge in der Schweiz mit eCall ausgerüstet sein. Eine zwingende Nachrüstung von älteren Fahrzeugen ist hingegen nicht vorgesehen.

Und die Datensicherheit?

Vor der Einführung von eCall gab es sowohl in der EU als auch in der Schweiz Bedenken in Bezug auf mögliche Fahrzeugverfolgung sowie Datenübermittlung an Versicherungen oder Fahrzeughersteller. Da sich das System jedoch erst nach Auslösung eines Notrufs in ein Mobilfunknetz einwählt (im Vergleich bspw. zu Smartphones), ist das Verfolgen eines Fahrzeugs nicht möglich. Weiter müssen Daten automatisch und dauernd gelöscht werden. Auch Notrufzentralen darf nur im Notfall Zugriff auf die Daten von eCall gewährt werden.
So viel zur Theorie. Wenn nur ein Menschenleben dank eCall gerettet werden kann, hat sich die Einführung bestimmt gelohnt. Die Zeit (und die Statistik) wird die definitive Entwicklung zeigen.