Ernährungssicherheit in der Schweiz: ja, aber…

2017 hat die Schweiz die Ernährungssicherheit in der Verfassung verankert. Ernährungssicherheit bedeutet, dass der Bevölkerung jederzeit genügend Lebensmittel in ausreichender Qualität und zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stehen.

Christophe Lienert

14. März 2023

Generelle Herausforderungen

Ernährungssicherheit ist in der Schweiz gegeben, aber sie ist nicht selbstverständlich. Wegen der grossen Gebirgsfläche hat unser Land nur begrenzte Flächen an Kulturland zur Verfügung. Zudem müssen mit knapper werdenden Ressourcen wie Boden und Wasser immer mehr Menschen ernährt werden. Dazu kommen weitere Herausforderungen, z. B. zunehmende Produktionsunsicherheiten infolge des Klimawandels. Um Ernährungssicherheit zu gewährleisten, muss für eine nachhaltige Produktion gesorgt und die inländische Landwirtschaft entsprechend gefördert werden. Die Schweiz hat 2017 als eines der ersten Länder der Welt mittels einer Volksabstimmung die Ernährungssicherheit in der Verfassung verankert.

Gemäss Prognosen kann die globale Nahrungsmittelproduktion mittelfristig mit dem Bevölkerungswachstum mithalten. In der Schweiz ist dies jedoch nicht mehr der Fall, denn während die Bevölkerung wächst, ist die Inlandproduktion seit einigen Jahren leicht rückläufig. Daher nahm der Bedarf an Nahrungsmittelimporten tendenziell zu, obwohl der Pro-Kopf-Konsum im gleichen Zeitraum leicht zurückging.

Und international?

Von 2020 bis Anfang 2022 veränderte die Covid-19-Pandemie die Warenflüsse in der Land- und Ernährungswirtschaft stark. Obwohl sich die internationalen Märkte trotz aufwendigerer Logistik und Ausfuhrbeschränkungen einzelner Länder als recht stabil erwiesen, verschlechterten die steigenden Nahrungsmittelpreise für ärmere Bevölkerungsgruppen den Zugang zu ausreichender Ernährung.

Der Global Food Security Index (GFSI – nicht zu verwechseln mit der Global Food Safety Initiative) misst die Ernährungssicherheit von 113 Staaten. Die Schweiz lag 2022 auf dem 11. Rang. Der Index betrachtet Faktoren in vier Kategorien: Erschwinglichkeit (Wirtschaftsleistung/Bruttoinlandprodukt, finanzielle Mittel für Landwirte), Verfügbarkeit (politische Stabilität; landwirtschaftliche Infrastruktur), Qualität und Sicherheit (Spurenelemente in der Nahrung, Abwechslungsreichtum der Ernährung) sowie Nachhaltigkeit und Anpassungsfähigkeit. Diese letzte, neuste Kategorie betrachtet u. a. Risiken von Naturgefahren wie Bodendegradation, Dürren und Hochwasser.

Risiken für die Ernährungssicherheit in der Schweiz

In der Schweiz ist aufgrund des komplexer werdenden Umfelds damit zu rechnen, dass das Risiko für Versorgungsengpässe zunimmt. Bei einer Strommangellage wären praktisch alle Bereiche, die für die Ernährungssicherheit wichtig sind, massiv betroffen: Versorgung, Lagerung Transportkapazitäten, Handel. Dem Notvorrat in den Schweizer Haushalten kommt hier eine grosse Bedeutung zu.
Die Schweizer Landwirtschaft ist auf die Verfügbarkeit der Produktionsmittel angewiesen und besonders dort verletzlich, wo die Nahrungsmittelproduktion mehrheitlich auf Saatgutimporten basiert.
Der Klimawandel spielt, wie oben erwähnt, als Risikotreiber ebenfalls eine wichtige Rolle, denn häufiger auftretende Dürren- und Trockenperioden sowie Schädlinge sorgen für stärkere Schwankungen in der landwirtschaftlichen Produktion. Dieses Risiko kann durch verschiedene Anpassungen der Produktionsverfahren (Sortenwahl, bodenschonender Anbau, verbessertes Wassermanagement) reduziert werden.

Potenziale und Chancen

Als kaufkräftiges Land kann die Schweiz globale Versorgungsengpässe und steigende Importpreise gut meistern. Schwerwiegende Mangellagen sind angesichts der Abhängigkeit der Schweiz von Importen dennoch möglich, beispielsweise aufgrund von politisch motivierten Handelsblockaden oder Ausfällen von Transportkapazitäten. In einer länger dauernden schweren Mangellage besteht jedoch das Potenzial, die Eigenversorgung zu erhöhen: einerseits durch das Verkürzen von Lieferketten und Erschliessen von lokalen Märkten, andererseits durch das Erhöhen der Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln zulasten der flächen- und wasserintensiven tierischen Produktion. Auch eine zusätzliche systematische Vermeidung von Food Waste kann eine Mangellage abfedern.