Die finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz

Für viele Schweizerinnen und Schweizer ist das Vorsorgegeld aus der zweiten Säule der wichtigste Vermögensbestandteil im Alter. Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung der Schweizer Wohnbevölkerung wird die langfristige Sicherung der Altersrenten durch die Pensionskassen heute aber immer wieder infrage gestellt. Das anhaltend tiefe Zinsniveau und die daraus resultierenden geringen Ertragsaussichten der Pensionskassen werden dazu führen, dass die meisten Vorsorgeeinrichtungen (weitere) Anpassungen bei den Rentenleistungen vornehmen müssen. Aber auch auf der Finanzierungsseite dürften Korrekturen längerfristig kaum vermeidbar sein.

12. Juli 2017

Vorsorge: Das 3-Säulen-Prinzip in der Schweiz

Die Pensionskassen gewährleisten als sogenannte berufliche Vorsorge zusammen mit der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der privaten Vorsorge Schutz gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität und Tod. Während die AHV (1. Säule) das existenzsichernde Grundeinkommen garantiert, sollen die Pensionskassen (2. Säule) Arbeitnehmern mit mittleren Einkommen die Weiterführung ihres bisherigen Lebensstandards im Alter in angemessener Weise ermöglichen (zusammen ca. 60 Prozent des letzten Einkommens). Das individuelle Sparen (3. Säule) schliesslich soll dieses Alterseinkommen ergänzen. Das 3-Säulen-Prinzip ist in der Bundesverfassung seit 1972 fest verankert.

Die heutige Realität

Die (damals getroffenen) Annahmen, welche dem 3-Säulen-Konzept zugrunde liegen, sind heute nicht mehr aktuell: Der Renteneintritt geburtenstarker Jahrgänge bei gleichzeitiger Abnahme des Anteils der berufstätigen Bevölkerung nimmt zu. Die Lebenserwartung der Schweizer Wohnbevölkerung ist deutlich angestiegen. Und die Möglichkeit der Lebensversicherer, auf dem Kapitalmarkt langfristig gute Anlageerträge von mindestens 4 Prozent zu erwirtschaften, ist weggefallen. Die mittelfristig ungenügenden Ertrags- und Renditeaussichten haben dazu geführt, dass der BVG-Mindestzinssatz seit dem 1. Januar 2017 bei gerade noch einem Prozent liegt; er dürfte in den nächsten Jahren wohl weiter sinken.

Herausforderungen für die Vorsorgeinstitutionen

Die steigende Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung und das anhaltende Tiefzinsumfeld gefährden die finanzielle Stabilität der 1. und 2. Säule. Das Pensionskassenkapital eines neuen Rentenbezügers muss heute durchschnittlich rund vier Jahre länger reichen, als dies noch zum Zeitpunkt der Einführung der beruflichen Vorsorge im Jahr 1985 der Fall war. Die Ertragsmöglichkeiten auf dem Kapitalmarkt sind limitiert; daran wird sich mittelfristig kaum etwas ändern. Anlagerichtlinien der FINMA, welche dem Schutz des gebundenen Vermögens dienen, schränken zudem die Investitionsmöglichkeiten der Pensionskassen in beliebige und riskantere Anlagevehikel ein. Damit die Rechnung trotzdem irgendwie aufgeht, werden die Vorsorgeeinrichtungen in Zukunft nicht umhinkommen, den Umwandlungssatz für die Altersrenten zu kürzen. Der Umwandlungssatz bestimmt, welcher Anteil des angesparten Altersguthabens als jährliche Rente ausbezahlt wird. Er liegt aktuell bei 6.8 Prozent. Diese Massnahme allein wird aber nicht ausreichen, um die Finanzierungslücke bei den Altersleistungen langfristig zu schliessen. Die Politik, die Vorsorgeeinrichtungen, aber auch die Bevölkerung werden gefordert sein, hier neue Vorschläge und Lösungen zu suchen.