Flexible Arbeitszeit

Einheitliche Arbeitszeiten gehören der Vergangenheit an. Die Arbeitszeiten verschieben sich, werden wieder länger, aber auch kürzer, auf jeden Fall flexibler. Zumindest nach aussen hin. Oft sind flexible Arbeitszeiten jedoch intern nicht wirklich in den Unternehmen angekommen.

Helen Weiss

20. Februar 2020

«Machst du schon Feierabend?» Chef und Kollegen werfen einen Blick auf die Uhr und runzeln die Stirn. Keiner von ihnen war im Büro, als Sie schon um halb sieben morgens mit der Arbeit begonnen haben, damit Sie eine Stunde früher an die Theateraufführung Ihrer Tochter gehen können.
Solche oder ähnliche Situationen kennen Arbeitnehmende in Unternehmen mit flexiblen Arbeitszeiten zur Genüge. Denn immer mehr Unternehmen setzen zwar auf variable Arbeitszeitmodelle, doch in ihrer Unternehmenskultur ist immer noch der klassische Acht-Stunden-Tag verankert.

Flexible Arbeitszeiten nehmen zu

Die Studie «Flexible Arbeitszeiten in der Schweiz» des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO zeigt, dass im Jahr 2010 hierzulande 61 Prozent der Angestellten ihre Arbeit flexibel einteilen konnten. Fünf Jahre zuvor waren es mit 45 Prozent noch deutlich weniger. Der starre «Acht-Stunden-Job» ist also auf dem Rückzug: Das ist durchaus praktisch, können dadurch etwa Beruf und Familie besser vereinbart werden. Auch andere Umstände führen zu veränderten Anforderungen an die Arbeitszeit: eine berufliche Weiterbildung, ein langer Arbeitsweg oder einfach der Wunsch nach einer selbstständigeren Zeiteinteilung.

Flexibilität heisst nicht ständige Verfügbarkeit

Mit dem Angebot flexibler Arbeitszeit im Stellenausschrieb versuchen Unternehmen deshalb nicht selten, sich einen Vorsprung bei der Mitarbeitergewinnung und Personalbindung zu sichern. Doch was auf dem Papier gut tönt, ist in der Praxis längst nicht überall umgesetzt. Nicht nur Vorgesetzte, auch manche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können mit flexiblen Arbeitszeiten nicht so gut umgehen. Je nach Unternehmenskultur steht man unter stetiger Kontrolle durch die Teammitglieder. Dadurch entsteht trotz gleitender Arbeitszeiten ein Gruppendruck. So kann es schwierig sein, die richtige Balance zwischen ständiger Erreichbarkeit und Abgrenzung zu finden.

Wer flexibel arbeitet, macht mehr Überzeit

Oftmals arbeiten Angestellte in flexiblen Arbeitszeitmodellen zudem länger als vertraglich vereinbart, wie die oben erwähnte SECO-Studie aufzeigt: Beinahe 90 Prozent der Angestellten, die flexibel arbeiten und ihre Arbeitszeit nicht erfassen, machen deutlich mehr Überzeit. Bei Mitarbeitenden in flexiblen Arbeitszeitmodellen mit Arbeitszeiterfassung arbeiten gut 75 Prozent länger, während in Unternehmen mit festen Arbeitszeiten 57 Prozent der Angestellten Überstunden leisten.