Gestern Kollege, heute Chef

Am Freitag noch Kollege, am Montag Vorgesetzter: Wird ein Mitarbeiter zum Chef seiner bisherigen Arbeitskollegen befördert, ist das eine heikle Angelegenheit. Den Rollenwechsel vorzubereiten und zu meistern, braucht viel Fingerspitzengefühl des oder der Beförderten – und manchmal ein dickes Fell. 

Helen Weiss

5. September 2019

Wer intern befördert wird und vom Teamkollegen zum Vorgesetzten aufsteigt, wird mit etlichen Herausforderungen konfrontiert. Prinzipiell ist die Beförderung zur Team- oder Abteilungsleiterin ein Ritterschlag der Chefetage – doch man kann dabei straucheln. Stolperfallen gibt es als neue Führungskraft zuhauf – umso mehr, wenn man vorher Teil des Teams war. Sich aus der alten Rolle als Kollege oder Mitstreiterin zu lösen, ist deshalb besonders anspruchsvoll: Man will zwar mit dem Team befreundet bleiben, muss sich aber gleichzeitig mit seiner neuen Rolle als Chefin auseinandersetzen.

Es gilt, sich der Führungsposition bewusst zu sein und diese Funktion aktiv zu definieren – wer plötzlich autoritär auftritt und den Chef markiert, kommt selten gut an. Vielmehr geht es darum, authentisch zu bleiben und ein Führungsverständnis zu leben, das einem entspricht. Oftmals wird gerade dies zur Gratwanderung, denn viele sind versucht, sich nach der Beförderung an alten Strukturen festzuhalten. Dann steht man schnell als kumpelhafter Chef da, dem es an Durchsetzungsvermögen und Autorität fehlt.

Klare Rollentrennung

Der Wechsel von der Holz- in die Teppichetage ist nicht zu unterschätzen. Deshalb ist es durchaus angebracht, Hilfe anzunehmen oder einzufordern. Diese kann das Unternehmen selbst leisten oder ein externes Coaching. Person und Sache zu trennen, hört sich meist leichter an, als es im Berufsalltag tatsächlich ist – vor allem als «Neue», die eben nicht neu im Team ist.
Schwierig wird es besonders dann, wenn man als neuer Vorgesetzter mit einem Kollegen aus dem Team privat befreundet ist. Was macht man, wenn man mit ihm am Wochenende Fussball gespielt hat und ihm am Montag klarmachen muss, dass er sich auf seine Präsentation schlampig vorbereitet hat? Gleichzeitig kennt die neugekürte Chefin Stärken und Schwächen der einzelnen Teammitglieder meist genau, was zu Irritation oder Unbehagen innerhalb des Teams führen kann.

Vorbildfunktion wahrnehmen

Eine gewisse Distanz zu den ehemaligen Kollegen ist in der neuen Führungsrolle deshalb hilfreich – die Zeiten, in denen man miteinander am Kopierer stand und tratschte, sind nach der Beförderung vorbei. Die Führungsrolle und die damit einhergehende Vorbildfunktion muss bewusst wahrgenommen werden. Dazu gehört auch, unangenehme Aufgaben zu delegieren, Ferien zu streichen oder ehemalige Kollegen auf schlechte Leistungen anzusprechen. Man muss sich deshalb von der Erwartung verabschieden, von allen Mitarbeitenden geliebt zu werden.