Mindestlöhne in der Schweiz
«Über Lohn redet man nicht», heisst es. Aber es ist kein Geheimnis, dass die Löhne in der Schweiz sehr unterschiedlich und zum Teil sehr tief sind. Mindestlöhne gibt es nur für bestimmte Branchen und Regionen.
«Über Lohn redet man nicht», heisst es. Aber es ist kein Geheimnis, dass die Löhne in der Schweiz sehr unterschiedlich und zum Teil sehr tief sind. Mindestlöhne gibt es nur für bestimmte Branchen und Regionen.
Unter tiefen Löhnen leiden v. a. wenig qualifizierte Arbeitnehmende und solche mit kleinem Stellenpensum. Eine eidgenössische Volksinitiative zur Einführung eines Mindestlohns wurde 2014 vom Schweizer Stimmvolk verworfen. Die Lohnhöhe kann gemäss Obligationenrecht (OR) frei vereinbart werden und ist von Angebot und Nachfrage bestimmt. Auch das Arbeitsgesetz sagt nichts dazu. Damit ist grundsätzlich jeder Lohn rechtlich zulässig. Die Vertragsfreiheit lässt viel Spielraum. Aber auch wenn die Bundesgesetze keine Bestimmungen zur Lohnhöhe kennen, gibt es doch anderweitige Vorschriften.
In vielen Branchen gibt es Gesamtarbeitsverträge, einige sind sogar in der ganzen Schweiz verbindlich (vgl. dazu die aktuelle Liste des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO). In einem Gesamtarbeitsvertrag vereinbaren Gewerkschaften und Arbeitgeber Bestimmungen über die Arbeitsverhältnisse einer Branche. Es geht v. a. um Ferien, Zuschläge, Spesen – und eben auch um Mindestlöhne. Die Arbeitnehmenden können sich meist direkt auf den Inhalt eines Gesamtarbeitsvertrags berufen. Somit sind im einzelnen Arbeitsverhältnis die in einem Gesamtarbeitsvertrag festgelegten Mindestlöhne zu beachten.
In den letzten Jahren haben sich einige Kantone mit dem Thema Mindestlöhne für Tieflohnbranchen beschäftigt. Der Kanton Neuenburg legte 2011 den Mindestlohn auf Fr. 20.– pro Stunde fest. Bei 41 Wochenstunden ergibt das ein Jahreseinkommen von Fr. 41 759.–. Eine Beschwerde dagegen wurde vom Bundesgericht Mitte 2017 abgewiesen. Es argumentierte, dass der Mindestlohn eine sozialpolitische Massnahme sei und zur Bekämpfung der Armut diene. Insbesondere würden dadurch Personen geschützt, die trotz vollem Arbeitspensum kaum genug zum Leben verdienen («working poor»). Deshalb verstosse ein Mindestlohn nicht gegen die Wirtschaftsfreiheit. So profitieren Angestellte in der Pflege, in Bäckereien, im Service, im Verkauf usw. Die Kantone Jura und Tessin kennen einen Mindestlohn. Im September 2020 hat der Kanton Genf einen Mindestlohn von Fr. 23.– beschlossen. Mitte 2021 hat der Kanton Basel-Stadt im Rahmen einer Volksabstimmung einen Mindestlohn von Fr. 21.– bestimmt – allerdings mit einigen Ausnahmen.
Je weiter Automatisierung und Digitalisierung voranschreiten, desto mehr muss sich unsere Gesellschaft Gedanken machen über die Zukunft der Arbeit und der Löhne. Mindestlöhne werden dabei – so sagen jedenfalls Ökonom*innen – eine wichtige Rolle spielen. Zur Abstimmung gelangen Vorlagen zu Mindestlöhnen bald in den Städten Zürich und Winterthur.