Revival einer Totgeglaubten?

Totgeglaubte leben länger. Oder: Geschichte wiederholt sich? Ein Schlagwort aus der aktuellen Wirtschafts- und Geldpolitik lässt das glaubhaft machen. Die Inflation. Aber stimmt das? Und ist die steigende Inflation tatsächlich die Wiedergeburt einer Totgeglaubten oder gar die Wiederholung von Geschichte? Wir schauen genauer hin.

Beat Ambord

26. September 2022

Die Inflation bezeichnet, im Gegensatz zur Deflation, die allgemeine Preissteigerungsrate betrachtet auf einen bestimmten Zeitraum. Ein anderer Begriff wäre Teuerung. Verbunden damit ist eine Geldentwertung, da für denselben Betrag an Geld nur weniger Gegenleistung erworben werden kann. In einer Marktwirtschaft mit sich ständig verändernden Preisen ist eine gewisse Inflation oder Deflation ein normaler Prozess, bei dem sich Preissteigerungen mit Preisminderungen abwechseln, teilweise aufheben und in Verbindung mit Lohnsteigerungen immer wieder ein annähernd ausgeglichenes Mass erreichen.

Bedenklich wird eine Inflation erst dann, wenn sie überdurchschnittlich hohe Raten aufweist und nicht durch wirksame Gegenmassnahmen abgemildert wird. Bei einer galoppierenden Inflation steigen die Preise exorbitant. Dabei bewirkt die Geldentwertung, dass quasi alle Rohstoffe, Produkte und Leistungen immer teurer werden und sich gegenseitig in der Teuerung antreiben. Dann entsteht eine Teuerungsspirale, die kaum aufzuhalten scheint und zu enormen Verwerfungen in der Wirtschaft, in der Geldpolitik und in den Kosten der Lebenshaltung führt.

Die letzte grosse galoppierende Inflation ist aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt und mündete in der Hyperinflation der frühen 1920er Jahre infolge der Weltwirtschaftskrise nach dem 1. Weltkrieg.

Grundsätzlich ist eine Inflation mit geringer Teuerungsrate nicht problematisch. Problembehaftet wird die Inflation erst dann, wenn die Kaufkraft breiter Bevölkerungsteile deutlich eingeschränkt wird und es dazu zu sozioökonomischen Verwerfungen innerhalb der Gesellschaft kommt.

Im Rahmen geringer Inflationsraten können wir demnach nicht von der Wiedergeburt einer Totgeglaubten reden, da uns geringe Teuerungsraten praktisch immer begleiten. Erst dann, wenn diese Raten deutlich über die zehn Prozent steigen, nähern wir uns einer problematischen Situation, die schon an bedrohliche Szenarien aus der Geschichte erinnern und damit auch die vermeintliche Wiederholbarkeit von Geschichte glaubhaft machen. Interessant an der derzeit deutlich spürbaren  Inflation dürfte sein, dass die letzte galoppierende Inflation in Europa vor ziemlich genau 100 Jahren die Wirtschaft und das Geld- und Bankenwesen erschütterte.