Raquel, wer kommt zu dir in die Beratung?
«Ganz unterschiedliche Persönlichkeiten. Es gibt jene, die mit getakteter Agenda neben vollem Berufspensum und Familie einen anspruchsvollen Lehrgang stemmen wollen – vielleicht sogar in reinem Fernstudium. Der reduzierte oder fehlende Kontakt zu anderen Studierenden kann dazu führen, dass man perfektionistisch wird und nicht mehr weiss, ob man genügend lernt und gut genug ist. Doch solche Selbstzweifel bremsen, und sie vergällen das Lernen. Und dann gibt es diejenigen, welche wegen eines zu komfortablen Zeitbudgets nicht in die Gänge kommen.»
Wie kann man denn Lernprozesse gut gestalten?
«Wochenpläne sind eines der einfachsten und sinnvollsten Mittel, das Lernen – und das Arbeiten – zu organisieren und einzuteilen. Dabei ist wichtig: Der Plan ist weder sakrosankt noch ein Wunschkonzert. Er zeichnet die Route vor, wann und wo wir auf unserer Lernwanderung in etwa sein möchten. Bei unwegsamem Terrain oder schlechtem Wetter passen wir uns an. Und wie bei einer richtigen Wanderung braucht es genügend Pausen, um durchzuhalten.»
Du sprichst aus Erfahrung.
«Ja. Ich habe kurz nach meinem Studium der Anglistik und Hispanistik bei der AKAD als Lehrerin angefangen. Aus dem Stand unterrichtete ich 16 Lektionen pro Woche in sieben Klassen. Das Vorbereiten nahm kein Ende. Und auch wenn die Compendio-Lehrmittel eine sehr gute Grundlage sind, für den Präsenzunterricht ist selbst erarbeitetes Material das Sahnehäubchen. Ich hatte in dieser Zeit glücklicherweise eine tolle Mentorin. Ich habe sie oft gefragt, wie ich dies oder jenes anpacken soll. Ihr offenes Ohr und ihre Tipps waren enorm wertvoll. Daher weiss ich, wie beflügelnd Unterstützung sein kann.»
Gibt es noch anderes, das du hilfreich findest?
«Unbedingt das Umfeld miteinbeziehen und um Unterstützung bitten! Und zwar lieber früher als später. Nicht selten warten Menschen, die viel Selbstverantwortung übernehmen, in aussergewöhnlichen Situationen zu lange, bevor sie offen über Belastungen sprechen. Das Umfeld kann aber nur helfen, wenn es Bescheid weiss. Auch das habe ich erlebt: Kurz vor meinem Lehrdiplom verstarb überraschend mein Vater. In Absprache mit der Schulleitung durfte ich Kollegen bitten, einen Teil meiner Lektionen zu übernehmen, sodass ich Zeit hatte, mich um meine Mutter und mich selbst zu kümmern.»
Pausen sind wichtig, hast du gesagt. Eine persönliche Frage zum Schluss: Wo tankst du auf?
«Für mich ist Kultur sehr wichtig: Konzerte, Filme, Theater – ich freue mich, wenn das alles wieder möglich ist. Denn das ist für mich gleichzeitig Erholung und Horizonterweiterung. Besonders ergiebig finde ich den Besuch kultureller Anlässe gemeinsam mit Freunden, wenn man danach über das Gehörte oder Gesehene diskutiert. Dann bleiben sie stärker in Erinnerung – wie beim Lernen, wenn man mit anderen über den Lernstoff spricht.»