Es geht ums Verständnis

Rodrigo Sobrino unterrichtet am AKAD College für die Matura und die Berufsmittelschule naturwissenschaftliche Fächer. Am Beispiel seines neuen Schwerpunktfachs Chemie lässt sich gut illustrieren, wie man den über längere Zeit erworbenen Stoff à jour hält.

9. November 2019

Zellteilung oder Säure-Base-Reaktion, Fotosynthese oder Redox-Vorgang, Osmose oder elektrischer Widerstand: Gesetzt, eine Maturitätsprüfung enthält Fragen zu derartigen Themen, was ist aus Sicht der Vorbereitung einfacher? Rodrigo Sobrino, der an der Uni Zürich 2013 in Biochemie abgeschlossen hat, wägt ab, bevor er antwortet: «Ohne damit die intellektuellen Ansprüche an die jeweiligen Fächer zu bewerten, scheint mir Folgendes von Belang: In der Biologie als Schulfach ist jener Anteil relativ hoch, bei dem Studierende Wissen korrekt reproduzieren sollen. Wer die Lehrmittel systematisch durchgearbeitet hat und die Quintessenz präsent hat, kann eigentlich nichts falsch machen. In Chemie und Physik zählt tendenziell jener Aspekt mehr, bei dem es situativ, d. h. auf die konkrete Aufgabe bezogen, auf die richtige Anwendung, das logisch einwandfreie Durchspielen bzw. Durchkalkulieren eines Naturgesetzes ankommt. Die jeweiligen Prinzipien muss man somit wirklich verstanden haben.» Auch aus diesem Grund arbeitet Rodrigo Sobrino im Präsenzunterricht gern mit Experimenten. Oft reichen bereits einfache Klassiker, um von einer abstrakten Formel zum Aha-Erlebnis zu kommen: Omas Tafelsilber mit Alufolie und Kochsalz neuen Glanz verleihen, mit Essig und Backpulver eine eindrückliche Säure-Base Reaktion auslösen. Rodrigo Sobrino ergänzt: «Da wir wenig Präsenzunterricht haben, erwäge ich, ein einfaches Experimentset aufzubauen, das man gefahrlos daheim ausprobieren kann.» Es ist nicht dasselbe, ob Wissen oder Verständnis verloren geht.

Korrosionsschutz

Vergessen zu können, ist eine der zentralen Eigenschaften unseres Gedächtnisses. Hierbei lohnt sich eine Differenzierung: Es ist nicht dasselbe, ob Wissen oder Verständnis verloren geht. Gewiss, die Rekonstruktion erfordert bei beiden Aufwand. Doch beim Wissen fällt es meist leichter: In der Dokumentation und/oder in den eigenen Notizen nachlesen, Fakten erneut einprägen und der Kessel ist – in aller Regel – geflickt. Beim Verständnis, das in Fächern wie Chemie und Physik, unabdingbar ist (wer hier nur auswendig lernt, bewegt sich auf dünnem Eis), braucht es einen entsprechenden Korrosionsschutz. Rodrigo Sobrino empfiehlt: «Es lohnt sich, regelmässig eigene Aufgaben zu erfinden, d. h., Varianten zu jenen zu kreieren, die man schon gelöst hat. Konkret heisst das, zum Beispiel Metalle anderer Gruppen und anderer Valenzen beim Redox-Vorgang einzusetzen.» Mit Entdeckungsfreude und Kombinationen hält man Wissen nicht nur à jour, sondern vertieft das Verständnis.