Suffizienz – die Frage nach dem richtigen Mass
Der Begriff Suffizienz leitet sich ab vom lateinischen sufficere = ausreichen, genügen. Heute bezeichnet er auch ein neues Konsummuster, das sich um einen möglichst geringen Ressourcenverbrauch bemüht.
Der Begriff Suffizienz leitet sich ab vom lateinischen sufficere = ausreichen, genügen. Heute bezeichnet er auch ein neues Konsummuster, das sich um einen möglichst geringen Ressourcenverbrauch bemüht.
Suffizienz beschäftigt sich mit der Frage nach dem richtigen Mass. Suffizienz wird auch mit Genügsamkeit umschrieben und setzt beim Konsumverhalten der Menschen an. Der allgemeine Ressourcenverbrauch soll auf ein zukunftsverträgliches Mass reduziert werden, damit Klima, Ressourcen und die Biodiversität unseres Planeten geschont werden und auch künftigen Generationen zur Verfügung stehen.
Suffizienz strebt an, den weltweiten Bedarf an Gütern und Dienstleistungen zu senken, ohne dass daraus wirtschaftliche Einbussen erfolgen. Die immer noch stark verbreitete Wegwerfmentalität festigt jedoch den unkontrollierten Überkonsum, auch weil Regulierungsmechanismen fehlen, die dem entgegenwirken könnten.
Unsere Gesellschaft basiert weitgehend auf dem Prinzip, dass möglichst viel konsumiert wird und stetes Wachstum herrscht. Wohlstand und Lebensqualität werden am Konsumniveau gemessen. Den eigenen Konsum zu reduzieren, kommt einem Verzicht gleich und wird als Rückschritt verstanden.
Suffizienz verfolgt einen dem entgegengesetzten Ansatz. Menschen pflegen dann einen suffizienten Lebensstil, wenn sie ihr Verhalten bewusst danach ausrichten, was für ein gutes und glückliches Leben wirklich nötig ist, und nicht nach dem, was maximal erreichbar ist. Es geht in der Grundhaltung um das Erreichen eines Optimums und nicht eines Maximums.
In der Forschung betrachtet man insbesondere die persönlichen, sozialen und politischen Aspekte, welche einer Orientierung an massvollerem Konsum im Weg stehen. Wie lassen sich diese Hemmnisse überwinden, und wie gelingt es, veränderte Einsichten und Handlungsweisen, die mit Suffizienz einhergehen, in der breiten Bevölkerung zu kommunizieren und zu verankern? Wie kann das Wohlstandsverständnis mit seiner starken Bindung an materielle Güter in der Gesellschaft verändert werden, sodass sie sich ressourcenschonender entwickelt? Oder welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen hätte ein breites massvolles Handeln in privaten Haushalten und Unternehmen für die Wirtschaftsstruktur und das Wirtschaftswachstum? Gibt es Geschäftsmodelle, bei denen Produkte und Dienstleistungen zu weniger Konsum führen?
Die Förderung von Suffizienz braucht geeignete politische Strukturen und Rahmenbedingungen. Suffizienz beabsichtigt, dass Lebensqualität ohne materiellen Reichtum erreicht wird. Dies kommt auch weniger privilegierten Gesellschaftsgruppen zugute, deren Lebensqualität gefördert werden kann, wenn beispielsweise öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder, Musikschulen, Museen und Naturerlebnisräume beibehalten und langfristig gepflegt werden.
Suffizienz ist nicht dasselbe wie Effizienz, und doch sind beide miteinander verbunden. Aufgrund des technologischen Fortschritts produzieren wir heute immer effizienter. Jedoch sparen wir dabei absolut gesehen keine Ressourcen ein, da wir bei vergrössertem Angebot mehr konsumieren. Bevölkerungswachstum und steigende individuelle Bedürfnisse machen die Effizienz des technologischen Fortschritts – z. B. bezüglich Treibhausgas-Emissionen – zunichte. Man spricht von einem «Reboundeffekt», wenn der so entstehende Mehrkonsum die technischen Einsparungen wieder aufhebt.
Ein Beispiel für den Reboundeffekt ist die Stromproduktion, die dank erneuerbaren Energien immer klimafreundlicher wird. Derweil werden aber neue, treibhausgas-intensive Gas- oder Kohlekraftwerke gebaut, um den steigenden Bedarf zu decken. Ein weiteres Beispiel sind auch treibstoffsparende Autos. Wenn diese aber in höherer Anzahl gekauft und genutzt werden, hebt sich der Vorteil für den Klima- und Ressourcenschutz wieder auf.
Suffizienz soll solchen Reboundeffekten entgegenwirken. Sie soll eine Lebensform sein, bei der Menschen mit weniger Ressourcen- und Energieverbrauch (mindestens) gleich zufrieden und glücklich sind. Einfache Möglichkeiten, um genügsamer zu leben, sind der bewusste Verzicht auf Konsumgüter, Fleisch oder weite Ferienreisen, das Einkaufen in verpackungsfreien Läden oder lokalen Märkten, das Tauschen und Teilen von Gütern oder das Reparieren und Recyceln von defekten Geräten.
Für einen suffizienten Lebensstil müssen sich letztlich Menschen individuell entscheiden. Sie müssen sich auf das Wesentliche besinnen und die Überzeugung haben, dass Suffizienz nicht Verzicht bedeutet, sondern dass eine «Weniger-ist-mehr»-Mentalität zu mehr Freiheit und mehr Klarheit führt.