Revision des Aktienrecht, Teil 4: Verwaltungsrat

Die gesetzlichen Regelungen für die Aktiengesellschaften und die GmbH werden per 1.1.2023 revidiert. Ziel: mehr Flexibilität. In vier kurzen Artikeln stellen wir die Änderungen vor.

Josef Studer

24. Januar 2023

Neue Regelungen für den Verwaltungsrat (VR)

Wie heute bereits teilweise der Fall, werden in Zukunft in allen Aktiengesellschaften die Verwaltungsräte einzeln gewählt. Die Statuten dürfen aber auch etwas anderes vorsehen. Neu entscheidet der VR allein, ob er die Geschäftsführung an eine Geschäftsleitung delegieren will. Auch VR-Sitzungen können neu elektronisch durchgeführt werden. Interessenkonflikte müssen sofort an den Gesamt-VR gemeldet werden. Die Ansprüche gegen den VR aus der sog. Verantwortlichkeit werden neu ohne Rangrücktrittsforderungen berechnet und verjähren nach drei Jahren.

Weitere Änderungen betreffen die Vergütungen an den Verwaltungsrat und dessen Pflichten. Die Zahlung von Vergütungen an Verwaltungsräte und andere Personen in einer AG hat in der Vergangenheit für Diskussionen gesorgt und die «Minder-Initiative» bzw. die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften ausgelöst. Diese Verordnung wurde ins OR integriert. Neu gilt:

  • Antrittsprämien zum Stellenantritt («golden Hello») sind nur ausnahmsweise zulässig. Sie dienen nur noch der Abgeltung eines «nachweisbaren finanziellen Nachteils», der mit dem Stellenwechsel verbunden ist (z. B. als Ersatz für wegfallenden Bonus).
  • Die Generalversammlung kann weiterhin über variable Vergütungen zum Voraus bestimmen (sog. prospektive Abstimmung). In diesem Fall ist in der folgenden GV eine Konsultativabstimmung über den Vergütungsbericht notwendig.
  • Entschädigungen für ein Konkurrenzverbot sind nur zulässig, wenn dieses geschäftsmässig begründet ist. Die Entschädigung darf die Jahresvergütung im Durchschnitt der letzten drei Jahre nicht übersteigen.

Bereits heute ist der Verwaltungsrat für die Liquidität des Unternehmens zuständig. Neu muss er diese ständig überwachen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit und/oder Kapitalverlust hat er Massnahmen zu ergreifen – und zwar genügend schnell. Eine GV muss nicht zwingend einberufen werden. Bei Überschuldung hat er den Konkurs anzumelden. Liegt nur die Gefahr einer Überschuldung vor, kann die Benachrichtigung des Richters aufgeschoben werden. Aber nur so lange, wie eine begründete Aussicht auf Sanierung besteht. Und auch dann nur maximal 90 Tage nach Vorliegen des Zwischenabschlusses. Das Einreichen eines Gesuchs um Nachlassstundung ist neu Aufgabe des VR und gilt als eine Massnahme bei Zahlungsproblemen. Auf die Details bei der Überschuldung wird hier nicht eingegangen.

In grösseren börsenkotierten Unternehmen sollen im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung beide Geschlechter vertreten sein (Geschlechterquote). Es sollen jeweils mind. 30% im Verwaltungsrat bzw. mind. 20% in der Geschäftsleitung sein. Erreicht ein Unternehmen diese Zahlen nicht, müssen im Vergütungsbericht die Gründe dafür angegeben bzw. die Massnahmen zur Förderung der Geschlechterdiversität beschrieben werden («comply or explain»). Zur Umsetzung haben die Unternehmen fünf Jahre (für den VR) bzw. 10 Jahre Zeit (für die Geschäftsleitung).

Fazit

Nach Inkrafttreten der Revision haben die Gesellschaften zwei Jahre Zeit, um ihre Statuten anzupassen. Es empfiehlt sich, die Statuten und internen Reglemente zu überprüfen, um die Einhaltung der neuen Vorschriften sicherzustellen. Zudem kann allenfalls von der grösseren Flexibilität, die die neuen Möglichkeiten bietet, profitiert werden.

In folgenden Texten wird auf die restlichen Gesetzesänderungen eingegangen:

Revision des Aktienrechts, Teil 1: Aktienkapital

Revision des Aktienrechts, Teil 2: Aktionärsrechte

Revision des Aktienrechts, Teil 3: Generalversammlung